Ein neuer Kaffee kommt ins Haus. Dieser hat, natürlich, ein Geschmacksprofil, eine Herkunft, einen Röstgrad, eine Varietät, und so weiter, und so fort. Was aber nun und wir brühe ich diesen?
Jede Kaffee hat Besonderheiten. Manche kennt man, von manchen erfährt man durch den Händler, Röster oder durch nette Menschen, die sie bereits herausgefunden haben. Auch darum halte ich die Berichte hier vor, vielleicht helfen sie jemandem, das würde mich freuen!
die planung
Basierend auf den o.g. Punkten setze ich mich an die Planung. Dazu gehören folgende Parameter:
- Welchen Filterhalter nutze ich?
- Welche Temperatur wird das Wasser haben?
- Wie stelle ich die Mühle ein?
Als aller erstes gucke ich beim Röster oder Händler nach, ob diese bereits ein Rezept für den Kaffee haben, das ist durchaus häufig der Fall. Ich kaufe aber eh gerne vor Ort ein und kann entsprechend auch fragen. Die meisten Händler sind froh, ihr Wissen teilen zu können, so habe ich mitunter das meiste gelernt, was ich heute anwende.
der geschmack
Kaffees haben ein Geschmacksprofil. Jetzt gerade, beim Schreiben dieses Textes, trinke ich eine Tasse Bombe Washed, welcher laut Röster nach Zitroneneistee, Nektarine und Vanille schmeckt.
Ein Kaffee, der nach Zitroneneistee schmeckt? Klingt komisch, ist aber auch nicht direkt so. Der Kaffee schmeckt wie das Gefühl, welches man beim Trinken eines Zitroneneistee hat bzw. die Person, die das Profil erschmeckt hat, assoziiert diesen Geschmack mit dem Kaffee.
Ein plakatives Beispiel ist immer die dunkle Schokolade: Ein Kaffee schmeckt nicht wirklich nach Schokolade (wobei es das durchaus auf geben kann), das Mundgefühl wird aber entsprechend sein. Im Falle von dunkler Schokolade wird es eine gewisse Adstringenz sein, ein trockenes oder pelziges Mundgefühl, welches ist bisher nur von Rotwein kannte und dessen Namen mir überhaupt nicht geläufig war.
die aufbereitung
Die Bohne des Kaffee werden nach der Ernte aufbereitet. Wir benötigen ja hauptsächlich nur die Bohne, den Kern der Kaffeekirsche, wobei die restliche Frucht (die Pulpe) für unseren Wundersaft erst einmal keine Bedeutung hat.
Aufbereitet heißt verkürzt, die Bohne wird für die Lagerung vorbereitet. Das Fruchtfleisch muss runter und die Bohne muss trocken sein. Ja, es passiert noch viel mehr, das muss ich hier aber nicht erwähnen, auch hier kenne ich nur die Basics und lerne das noch.

Vereinfacht kann man es auf 3 Möglichkeiten reduzieren, auch wenn es viel mehr gibt und gerade sehr viel experimentiert wird:
washed
Die Bohne wird direkt nach der Ernte, durch Wasser, vom Fruchtfleisch, getrennt, es handelt sich um eine sog. nasse Aufbereitung.
Washed Kaffees tragen den reinen Geschmack der Bohne. In der Regel sind sie fruchtiger und klarer definiert, gerne auch spitzer im Geschmack, wie ein leicht saurer, klarer Fruchtsaft.
natural
Hier wir die Kaffeekirsche in Gänze, also Pulpe und Bohne, i.d.R. in der Sonne getrocknet. Dabei wird sehr viel Fruchtzucker aus dem Fruchtfleisch in die Bohne übergeben, der Kaffee wird eher süß.
Geschmack verhalten sich Naturals zu Washed ähnlich wie Fruchtsaft zu Nektar. Ein Natural schmeckt undifferenzierter, bringt aber mehr Mundgefühl mit, ich beschreibe es gerne mit Wumms.
honey
Ein Honey ordnet sich genau dazwischen ein, ein wenig von beidem. Die Kirschen werden von der Schale, aber nicht vom Fruchtfleisch befreit. Die Süße nimmt nicht Überhand und Säure bleibt vorhanden.
Diese Kaffees können sehr ausgewogen sein, diese Aufbereitung verhilft manchen Kaffees dazu, etwas sehr besonderes zu werden.
der röstgrad
Das Rösten von Bohnen ist für uns absolut notwendig. Grün können wir sie nicht trinken. Das Rösten erlaubt es den Zauberer:innen an den Röstmaschinen das Gute in den Bohnen zu betonen und hervorzuheben.
Rösten kann nicht mehr. Eine schlechte Bohne wird nie gut geröstet werden können, eine gute Bohne kann aber leicht zu einem schlechten Ergebnis werden.
Wir sprechen von hellen und dunklen Röstungen. Je weiter wir in den Norden gucken, desto heller werden die Kaffees und ja, Ausnahmen gibt es durchaus.
Was heißt aber hell?
Wird eine Bohne erhitzt, wird es irgendwann ein Knacken geben, das ist gut hörbar. Dieses wird First Crack genannt und zeigt quasi den Punkt an, ab dem eine Bohne soweit ist, zu Kaffee zu werden.
Ein Stück später gibt’s den Second Crack. Irgendwo dazwischen befindet sich die Wahrheit und das Spezialgebiet der Röster, die hier wahre Wunder wirken.
Ich bevorzuge eher hell geröstete Bohnen. Dieses Profil wird auch nordisch hell oder nordische Röstung genannt, sie ist in skandinavischen Ländern eher als in Italien verbreitet.
Hellere Röstungen werden eher fruchtig oder teeartig im Geschmack, gerne auch leichter oder mit einer ausgeprägten Säure. Je dunkler die Röstung wird, desto eher kommen die all zu gut bekannten Röstaromen durch. Ein böser Geist wird behaupten, dass Fehler in den Bohnen durch eine dunklere Röstung verdeckt werden können.
Versteht mich nicht falsch, ein schön dunkel gerösteter, schokoladiger Espresso kann sehr, sehr gut sein, ist aber nicht mein täglich Wundertrunk.
der filterhalter
Ich habe die Auswahl zwischen diversen Filterhaltern. Grundlegend ist die Frage: Konisch oder Flach. Ich beginne einen Kaffee eher konisch, meist mit einem Hario V60 aus Keramik.

Ein flacher Filterhalter, ein sog. Flachbettbrüher hat die Eigenschaft, dass zumindest beim Timemore B75, den ich gerne nutze, das Wasser schneller durch den Kaffee fließt, dadurch kann ich feiner Mahlen und mehr extrahieren.
Der V60 hat sich aber als der Goldstandard etabliert und i.d.R. wird jeder Röster ein Rezept für den V60 parat haben. Über die Zeit hat sich bei mir aber auch ein Standard Rezept herausgestellt, welches ich als Basis nehme:
Comandante C40 (25 Clix), V60, Wasser mit 94°C. Ich bloome mit 50g für 30 Sekunden. Das heißt, ich übergieße das Kaffeepulver mit Wasser und warte. Da beim Rösten CO2 entsteht, wird dieses jetzt freigesetzt, es blubbert, mal mehr, mal weniger. Das in den Bohnen festgesetzte CO2 muss aber vor der Brühung raus, ansonsten Bilden sich kleine Krater, sog. Channels, durch die dann mehr Wasser als durch den restlichen Kaffee fließt, diese Stellen werden dann übermäßig extrahiert und der Kaffee wird bitter.
Im Anschluss gieße ich alle 30 Sekunden 50g Wasser auf, bis ich bei 250g Gesamtgewicht gelandet bin. Bis das letzte Wasser durch den Kaffee geflossen ist, plane ich 2:30 bis 3:30 Minuten ein.

die temperatur
Die Temperatur des Wasser ist maßgeblich dafür verantwortlich, wie intensiv die Extraktion erfolgt. Je höher die Temperatur, desto mehr wird in gleicher Zeit extrahiert.
Für die Röstgrade gilt: je heller, desto wärmer. Sehr helle Röstungen brühe ich auch mit 96°C und bei dunkleren kann es durchaus mal vorkommen, dass ich auf 90°C runtergehe. Es gibt auch Brüharten, welche im 80°C Bereich ablaufen, die nutze ich jedoch nicht.
Was ich aber mache: Ich nutze kaum Kunststoff. Und da ich meine Filterhalter nicht vorwärme, muss ich davon ausgehen, dass die Keramik Wärme schluckt, also die Energie des warmen Wassers nicht für die Extraktion des Kaffee, sondern für das Erwärmen des Filterhalters genutzt wird. Ich gebe also ca. 2°C mehr als notwendig drauf.
die mühle
Die Mühle macht den Kaffee. Eine gute Mühle ist durchaus nicht günstig, ist ihr Geld aber wert. Kaffee frisch mahlen ist der größte Qualitätssprung gegenüber bereits gemahlendem Kaffee. Die flüchtigen Aromastoffe sind… flüchtig… Bereits 15 Minuten nach dem Mahlen sind eine Vielzahl der Aromastoffe verflogen.
Frisch mahlen ist einer der Grundpfeiler für Qualität!
Ich nutze die Comandante C40. Dabei handelt es sich um eine Handmühle von hoher Qualität, welche in Deutschland gefertigt wird. Die dahinterstehende Firma hat überhaupt eingeführt, Handmühlen von hoher Qualität zu nutzen und zu produzieren. Diese Mühle gibt mir die Möglichkeit nachvollziehbar und wiederholbar das gleiche Mahlgut zu produzieren, ohne das wäre eine Reproduktion eines Kaffees überhaupt nicht möglich.
Ähnlich wie der Hario V60 ist auch die Comandante der Standard geworden und die meisten Rezepte beziehen sich auf diese. Die Clix, also der Mahlgrad, sind essenziell.
Die Mühle wird auf Null gestellt (der Hebel fällt nicht mehr) und dann wird gedreht. 12 mal rastet das Einstellrad pro Umdrehung ein, das Einrasten nennt man “Clix”. 20-30 Clix passen für Filterkaffee. Coldbrew ist ehr gröber, ein Flachbettbrüher wird feiner.
rdt
RDT (Ross Droplet Technique) ist ein sehr simpler Trick, um statische Ladung im Mahlgut zu minimieren: Einfach ein wenig Wasser zu den Bohnen geben, bevor man sie mahlt. Manche tropfen mit dem Finger Wasser in die Bohnen, ich nutze eine einfache Sprühflasche und benetze die Bohnen vor dem Mahlen.
Für die Mühle ist das i.d.R. kein Problem, der Nutzen ist aber sehr, sehr hoch. Ich würde nie wieder ohne Mahlen wollen.
eine waage? Ernsthaft?
Aber ja doch. Eine Waage. Es klingt kleinkarriert und engstirnig, alles zu messen und nachvollziehbar zu machen. Bohnen und Wasser werden auf das Gramm genau abgewogen und Die Zeiten in denen Wasser aufgegossen wird, werden klar gemessen. Aber, nur so kann das Rezept weitergegeben werden und Fehler können erkannt und korrigiert werden.
Ich nutze eine simple aber gute Waage, welche den Vorteil hat, auch die Durchflussmenge anzuzeigen: die Timemore Black Mirror Basic PRO.
Wichtig ist mir, dass die Waage sehr schnell reagiert und per USB C Kabel geladen werden kann. Beides ist hier für ca. 50-60€ gegeben. Dazu kommt, dass die Waage groß genug ist, einen Server mit 500ml Fassungsvermögen zu tragen und dennoch gut zu nutzen ist.
Genaues Arbeiten garantiert keine hohe Qualität, ermöglicht es aber, diese zu erreichen, wenn man ausreichend Erfahrung einbringt.

do it again
Sobald ein Kaffee schmeckt bzw. die Zubereitung einen trinkbaren Kaffee gezaubert hat gilt es zu verstehen, wieso er damit oder dadurch oder dennoch lecker wurde.
Ich spiele sehr viel rum, variiere die Temperatur, den Filterhalter, den Mahlgrad und selbst die Gießtechnik. Ich möchte verstehen, welcher Parameter sich wie auf das Ergebnis auswirkt. Es kann aber auch mal vorkommen, dass ich 200g Bohne benötige, um ein Ergebnis zu erreichen, welches mir schmeckt. Das ist eines der spannenden Dinge an diesem Hobby.
Das hilft auch dann, wenn der Kaffee nicht schmeckt. Dieses Wissen kann aus einem echt miesen Brühergebnis etwas sehr, sehr leckeres machen, also: Aktives Zaubern ;-)